Der Mann, der sich „Michel“ nennt im Internetforum des 1. FC Köln,
flüchtet sich nur noch in Sarkasmus. „Ich habe mir Handschellen für meine
Mitglieder gekauft. Jetzt geht’s nur noch angekettet und per Entenmarsch ins
Stadion“, schreibt der Vorsitzender eines der rund 1 000 Fanklubs des
Aufsteigers. User „Distel“ beklagt sich bitter über „eine bodenlose
Unverschämtheit gegenüber seinen treusten Anhängern“. Die radikalste
Variante fordert „Domkölsch“, nämlich einen „Supportboykott, bis das zurück
genommen ist.“ Die ganze Debatte, die mittlerweile 30 Seiten füllt, firmiert
unter dem Thema: „Der Tod des Fanclubs ist eingeläutet.“ Wenige Tage, bevor
der 1. FC Köln unter dem neuen Trainer Hanspeter Latour mit dem
Auswärtsspiel in Mainz den Kampf gegen den Abstieg aufnimmt, kochen viele
seiner Fans vor Wut. Nicht wegen der sportlich düsteren Lage. Sondern
darüber, dass sie sich in Zukunft für den Besuch von Auswärtsspielen
registrieren lassen müssen.
Auslöser der massiven Proteste ist ein Anwaltsschreiben, das die
registrierten Fanclubs in der vergangenen Woche erreichte. Mit dem anbei
liegenden Vertrag will der FC seine Fanclubs bis zum 1. Februar
verpflichten, dass dieser nur noch dann Karten für Auswärtsspiele
vermittelt, wenn der Käufer seine Personalien vorlegt. Die größten Konflikte
provoziert indes Paragraph Fünf des Kontraktes. Denn darin sollen Fanclub
und dessen Vorstand „haften für den Fall, dass dem 1. FC Köln durch das
Verhalten des genannten Personenkreises ein Schaden entsteht und dieser beim
Schadensverursacher nicht beigetrieben werden kann.“ 200 Verträge sind schon
unterschrieben beim Verein eingetroffen, heißt es. Doch die Repräsentanten
der wichtigsten Fanklubs wehren sich mit allen Kräften dagegen. „Eine wie
auch immer geartete Kollektivhaftung verstößt gegen die guten Sitten.
Insofern ist absehbar, dass eine Anerkennung dieser AGB und
Haftungsbedingungen durch die Fan-Club-Vorsitzenden juristisch ohnehin
unwirksam sein dürfte“, schreibt Distel im Fan-Forum. „Ich werde das nicht
unterschreiben“, sagt Pascal Göllner, Vorsitzender der „Wilden Horde“, eines
der größten Kölner Fanclubs, deren rund 450 Mitglieder sich aus Reihen der
sogenannten „Ultra“-Bewegung rekrutieren. Nicht nur er fürchtet, dass der
Vertrag nicht nur für die Auswärtsspiele angewendet wird: „Die AGB sind so
schwammig, dass es auch möglich ist, sie auf die Heimspiele auszuweiten.“
Die Argumente seitens des Vereins sind freilich gewichtig. Denn mit der
Personalisierung reagiert der FC nicht nur auf den „Trommelstockwurf“ vom 3.
Dezember in Hamburg, als ein FC-Fan den HSV-Spieler Alexander Laas am Kopf
verletzte. Auch beim letzten Spiel der Hinserie in Bielefeld gab es
Ausschreitungen. Und da FC-Fans zudem in der letzten Zweitliga-Saison einige
Male Feuerwerkskörper zündeten (u.a. in Oberhausen und in Frankfurt), gelten
sie neben den Fans von Dynamo Dresden als die problematischsten in
Deutschland. Als die Deutsche Fußball-Liga (DFL) konkret mit der Strafe
eines „Geisterspiels“ drohte (das es bisher nur in der 2. Liga gab),
entwickelte jedenfalls die Geschäftsführung laut Mendel den zur Debatte
stehenden Vertrag. „Das ist eine unpopuläre Maßnahme“, sagt Mendel, der seit
1989 als Fan-Beauftragter des FC fungiert, „aber wir müssen alles tun, um
ein solches Geisterspiel zu verhindern“.
Die Täterstruktur, so Mendel, „rechtfertigt diese Maßnahmen“, denn noch nie
sei ein FC-Mitglied bisher daran beteiligt gewesen. Weigerten sich die
Fanclubs weiterhin, den umstrittenen Vertrag zu unterschreiben, ist die
Konsequenz laut Mendel die: „Dann wird die Kartenbestellung der Fanklubs für
die Auswärtsspiele ersatzlos gestrichen.“ Dann könnte zwar jeder Fan sich
selbst eine Auswärtskarte kaufen – jedoch nur als Klubmitglied, was bisher
keine Voraussetzung war. Bislang orderten die Fanklubs die Auswärtstickets
als Sammelbestellung beim Fan-Projekt des 1. FC Köln (5 100 Mitglieder).
Dort will man den Streit nicht kommentieren, da man sich „zwischen den
Stühlen“ wähnt.
Göllner aber weiß, was dem Fan-Projekt dann droht: „Die müssten dann jedes
einzelne Ticket organisieren. Wie soll das gehen, wenn 6 000 oder 7 000
FC-Fans zu einem Auswärtsspiel fahren?“ Auch beraube sich der Klub dadurch
die Möglichkeit, über die Fanklubs präventiv auf die Anhänger einzuwirken:
„Da geht doch jede Bindung verloren.“ Freilich sehe man auch grundsätzlich
ein, dass der Klub auf den Druck seitens der DFL reagieren musste. „Wir
wollen eine konstruktive Lösung finden“, sagt Göllner. Den ersten Schritt
dahin gingen sie am Montag Abend, als rund 100 Fanklubs sich im Kölner
Radstadion über ein gemeinsames Vorgehen berieten. Von Erik Eggers
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