Kln: Fans haften fr Fans

November 2024 · 4 minute read

Der Mann, der sich Michel“ nennt im Inter­net­forum des 1. FC Köln,
flüchtet sich nur noch in Sar­kasmus. Ich habe mir Hand­schellen für meine
Mit­glieder gekauft. Jetzt geht’s nur noch ange­kettet und per Enten­marsch ins
Sta­dion“, schreibt der Vor­sit­zender eines der rund 1 000 Fan­klubs des
Auf­stei­gers. User Distel“ beklagt sich bitter über eine boden­lose
Unver­schämt­heit gegen­über seinen treusten Anhän­gern“. Die radi­kalste
Vari­ante for­dert Dom­kölsch“, näm­lich einen Sup­port­boy­kott, bis das zurück
genommen ist.“ Die ganze Debatte, die mitt­ler­weile 30 Seiten füllt, fir­miert
unter dem Thema: Der Tod des Fan­clubs ist ein­ge­läutet.“ Wenige Tage, bevor
der 1. FC Köln unter dem neuen Trainer Hans­peter Latour mit dem
Aus­wärts­spiel in Mainz den Kampf gegen den Abstieg auf­nimmt, kochen viele
seiner Fans vor Wut. Nicht wegen der sport­lich düs­teren Lage. Son­dern
dar­über, dass sie sich in Zukunft für den Besuch von Aus­wärts­spielen
regis­trieren lassen müssen.
Aus­löser der mas­siven Pro­teste ist ein Anwalts­schreiben, das die
regis­trierten Fan­clubs in der ver­gan­genen Woche erreichte. Mit dem anbei
lie­genden Ver­trag will der FC seine Fan­clubs bis zum 1. Februar
ver­pflichten, dass dieser nur noch dann Karten für Aus­wärts­spiele
ver­mit­telt, wenn der Käufer seine Per­so­na­lien vor­legt. Die größten Kon­flikte
pro­vo­ziert indes Para­graph Fünf des Kon­traktes. Denn darin sollen Fan­club
und dessen Vor­stand haften für den Fall, dass dem 1. FC Köln durch das
Ver­halten des genannten Per­so­nen­kreises ein Schaden ent­steht und dieser beim
Scha­dens­ver­ur­sa­cher nicht bei­getrieben werden kann.“ 200 Ver­träge sind schon
unter­schrieben beim Verein ein­ge­troffen, heißt es. Doch die Reprä­sen­tanten
der wich­tigsten Fan­klubs wehren sich mit allen Kräften dagegen. Eine wie
auch immer gear­tete Kol­lek­tiv­haf­tung ver­stößt gegen die guten Sitten.
Inso­fern ist absehbar, dass eine Aner­ken­nung dieser AGB und
Haf­tungs­be­din­gungen durch die Fan-Club-Vor­sit­zenden juris­tisch ohnehin
unwirksam sein dürfte“, schreibt Distel im Fan-Forum. Ich werde das nicht
unter­schreiben“, sagt Pascal Göllner, Vor­sit­zender der Wilden Horde“, eines
der größten Kölner Fan­clubs, deren rund 450 Mit­glieder sich aus Reihen der
soge­nannten Ultra“-Bewegung rekru­tieren. Nicht nur er fürchtet, dass der
Ver­trag nicht nur für die Aus­wärts­spiele ange­wendet wird: Die AGB sind so
schwammig, dass es auch mög­lich ist, sie auf die Heim­spiele aus­zu­weiten.“

Die Argu­mente sei­tens des Ver­eins sind frei­lich gewichtig. Denn mit der
Per­so­na­li­sie­rung reagiert der FC nicht nur auf den Trom­mel­stock­wurf“ vom 3.
Dezember in Ham­burg, als ein FC-Fan den HSV-Spieler Alex­ander Laas am Kopf
ver­letzte. Auch beim letzten Spiel der Hin­serie in Bie­le­feld gab es
Aus­schrei­tungen. Und da FC-Fans zudem in der letzten Zweit­liga-Saison einige
Male Feu­er­werks­körper zün­deten (u.a. in Ober­hausen und in Frank­furt), gelten
sie neben den Fans von Dynamo Dresden als die pro­ble­ma­tischsten in
Deutsch­land. Als die Deut­sche Fuß­ball-Liga (DFL) kon­kret mit der Strafe
eines Geis­ter­spiels“ drohte (das es bisher nur in der 2. Liga gab),
ent­wi­ckelte jeden­falls die Geschäfts­füh­rung laut Mendel den zur Debatte
ste­henden Ver­trag. Das ist eine unpo­pu­läre Maß­nahme“, sagt Mendel, der seit
1989 als Fan-Beauf­tragter des FC fun­giert, aber wir müssen alles tun, um
ein sol­ches Geis­ter­spiel zu ver­hin­dern“.
Die Täter­struktur, so Mendel, recht­fer­tigt diese Maß­nahmen“, denn noch nie
sei ein FC-Mit­glied bisher daran betei­ligt gewesen. Wei­gerten sich die
Fan­clubs wei­terhin, den umstrit­tenen Ver­trag zu unter­schreiben, ist die
Kon­se­quenz laut Mendel die: Dann wird die Kar­ten­be­stel­lung der Fan­klubs für
die Aus­wärts­spiele ersatzlos gestri­chen.“ Dann könnte zwar jeder Fan sich
selbst eine Aus­wärts­karte kaufen – jedoch nur als Klub­mit­glied, was bisher
keine Vor­aus­set­zung war. Bis­lang orderten die Fan­klubs die Aus­wärts­ti­ckets
als Sam­mel­be­stel­lung beim Fan-Pro­jekt des 1. FC Köln (5 100 Mit­glieder).
Dort will man den Streit nicht kom­men­tieren, da man sich zwi­schen den
Stühlen“ wähnt.
Göllner aber weiß, was dem Fan-Pro­jekt dann droht: Die müssten dann jedes
ein­zelne Ticket orga­ni­sieren. Wie soll das gehen, wenn 6 000 oder 7 000
FC-Fans zu einem Aus­wärts­spiel fahren?“ Auch beraube sich der Klub dadurch
die Mög­lich­keit, über die Fan­klubs prä­ventiv auf die Anhänger ein­zu­wirken:
Da geht doch jede Bin­dung ver­loren.“ Frei­lich sehe man auch grund­sätz­lich
ein, dass der Klub auf den Druck sei­tens der DFL reagieren musste. Wir
wollen eine kon­struk­tive Lösung finden“, sagt Göllner. Den ersten Schritt
dahin gingen sie am Montag Abend, als rund 100 Fan­klubs sich im Kölner
Rad­sta­dion über ein gemein­sames Vor­gehen berieten. Von Erik Eggers

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